Skip to content

Potenziale zur Transformation
der Designlehre

Eine qualitative Analyse von Perspektiven im Design
Als Potenziale zur Transformation der Designlehre verstehen wir die Möglichkeiten einer sinnvollen Umgestaltung hinsichtlich der Art und Weise der Lehre und deren Inhalte im Design. Ziel ist es, Prinzipien zu formulieren und Mittel zu identifizieren, nach denen sich eine zeitgemäße und zukunftsgerichtete Designlehre ausrichten kann, auch und gerade um fortwährend auf Veränderungen reagieren zu können. Darunter fallen inhaltliche Potenziale wie Lehrparadigmen und ‑prinzipien, aber auch strukturelle Potenziale, die sich auf die Umsetzung solcher Inhalte im Lehrkontext beziehen.
Die Potenziale wurden aus den erhobenen Interviews mittels sozialwissenschaftlicher Methoden herausgearbeitet. Um die Aussagen differenzieren und gliedern zu können, wurden alle Interviews in einem ersten Schritt einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen. In einem zweiten Schritt wurden mit der Grounded Theory Methodology verschiedene Theorien aus der Analyse abgeleitet, die kanonische Potenziale repräsentieren.

Hinweise: Hier wird ein nicht-referenzierender Lesetext der Potenziale aufgeführt. Die wissenschaftliche Arbeit kann auf Anfrage gerne bereitgestellt werden.

1.

Reaktion auf gegenwärtige Veränderungen

Design ist dialektisch an die sozioökonomische Lage gebunden. Momentan ist eine grundlegende Transformation der äußeren Umstände zu beobachten. Dabei beschleunigen sich die involvierten Prozesse zunehmend und die damit einhergehenden Veränderungen wirken sich direkt auf das Design selbst und damit auch auf die Anforderungen an die Designlehre aus. Um dieser Situation zeitgemäß und gewinnbringend begegnen zu können, benötigt es eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit aktuellen, designrelevanten Gegebenheiten.

Um Studierenden die Möglichkeit einer zeitaktuellen Lehre bieten zu können, sollte eine Designhochschule den Rahmen für aktuelle gesellschaftliche, ökologische und ökonomische Themenbereiche in verschiedenen Formaten und im Unterricht etablieren. Hierfür wäre es wichtig, kontinuierliche Strukturen zur Themenfindung und Analyse des Weltgeschehens in der Lehre zu installieren. Beispielsweise können Vorträge und die Zusammenarbeit mit Disziplinen, deren Fokus auf solchen Veränderungen liegt, zur Fundierung der erarbeiteten Problemlösungsansätze von Studierenden beitragen.

Die Einbindung solcher Themengebiete kann zu einer bewussten Verortung von Studierenden in der weltlichen Situation und damit zu einer besseren Orientierung im eigenen Feld führen. Auch die intrinsische Motivation von Studierenden kann durch die erkennbare Wichtigkeit solcher Aufgaben gefördert werden. Der gesellschaftliche Nutzen von Design und somit auch der einer gelungenen Designlehre dürfte durch eine Beschäftigung mit aktuellen Problemlagen, wie beispielsweise der Digitalisierung und der Endlichkeit natürlicher Ressourcen, ansteigen. Ein Studium mit Fokus auf solche Inhalte kann zu zeitgemäßen Ergebnissen und Produkten führen und hat so die Möglichkeit, zur veränderten Lage etwas beizutragen, anstatt nur von ihr getrieben zu sein.

Das Wort Design beschrieb ursprünglich die Überführung vom Kunsthandwerk hin zu einer arbeitsteiligen, industriellen, kommerziellen Wertschöpfung. DesignerInnen waren SpezialistInnen in einem Bereich, und ihr Anspruch auf Professionalität begründete sich im handwerklichen Umgang mit bestimmten Medien. Heutzutage ändert sich das. Durch die Demokratisierung der Tools können auch Laien zu DesignerInnen werden und schnell schöne Gestaltung herbeiführen. Dadurch verliert das handwerkliche Tun zwar zunehmend an Wert, das Ansehen von Design als Qualitätsversprechen in Unternehmen steigt jedoch. Die Relevanz verlagert sich dabei im Zuge der erhöhten Komplexität unserer globalisierten Welt auf die Vorleistung, also der Konzeption und Interaktion mit den Menschen.

Durch diesen Kulturwandel ist es möglich, in der Lehre ein prozessorientiertes Tätigkeitsverständnis zu etablieren. Bei diesem liegt der Fokus auf dem Umgang mit Menschen, beraterischen und strategischen Momenten des Designs und dem Erfahrbarmachen von Prozessen. Hierbei könnte die Beschäftigung mit einem erweiterten Designbegriff helfen und neue Selbstverständnisse provozieren, um die bestehenden Grenzen disziplinärer Ideenwelten zu überschreiten. Durch das Hinterfragen der bestehenden Annahmen der Designdisziplin könnte eine völlig neue Denkweise entstehen.

Design könnte so zu einem integrativen Prozess der Zusammenarbeit werden, der mehr kann, als physischer Objekte erfahrbar zu machen. So hätte die Designlehre die Möglichkeit, sich von alten Zuschreibungen zu lösen und von Medien emanzipierte DesignerInnen auszubilden. So kann ein Beitrag zu einem neuen, erweiterten Verständnis von Design geleistet werden, das über das Aufhübschen und Verkaufen hinausgeht. DesignerInnen hätten dadurch die Chance, in Unternehmen andere Rollen auszufüllen, erweiterte Handlungsspielräume zu nutzen und durch eine erhöhte Anschlussfähigkeit souverän mit anderen Fachbereichen zu interagieren. Das würde den zukünftigen BerufseinsteigerInnen des Designs zugute kommen und letztenendes zu einer besseren Produktqualität durch ein tieferes Problembewusstsein führen.

Etablierte Gestaltungstätigkeiten, wie beispielsweise Plakat- oder Buchgestaltung, können zunehmend auch von Laien ausgeführt werden. Das verschiebt die herkömmlichen Definitionen professioneller Gestaltung. Diese zeichnen sich heute weniger durch die Anwendung und Interaktion von Medien und Werkzeugen aus, sondern zunehmend durch die damit erzielte Qualität der Problemlösung. Getrieben von diesem Anspruch, der sinkenden Anzahl klassischer Designarbeiten und dem wachsenden Bedarf an DesignerInnen mit einem theoretischen Verständnis, scheint es wichtig zu sein neue Tätigkeitsfelder zu erschließen.

Um eine Zusammenarbeit mit neuen Bereichen anstoßen zu können, müssten Institutionen und Organisationen gesucht werden, die neue Tätigkeitsfelder für DesignerInnen öffnen. Ein engerer Kontakt zu Alumnis könnte hierbei helfen, einen Erstkontakt herzustellen. Dabei könnte Design Thinking, als bereits bewährte Designmethode, als Beispiel gelingender Integration von Designprozessen in Unternehmen angeführt werden. Hochschulen sollten bei einer solchen Kontaktaufnahme auf die Wirtschaft zu gehen und diese nicht als Feindbild sehen. Ein erweiterter Designbegriff kann dabei in Unternehmen zum Verständnis der Mehrwerte des Designs beitragen.

Durch die Erschließung dieser neuen Felder könnten DesignerInnen Unternehmen in Zukunft vermehrt konzeptionell und strategisch beraten und dabei helfen, diese weiter zu entwickeln. Neben einem höheren Einfluss in Unternehmen kann sich so auch das Selbstbewusstsein der DesignerInnen verändern und das Design kann einen forschenden Charakter bekommen. Die Grenzen der Disziplin könnten sich hierdurch verschieben, was zu einer breiteren Auffassung der Designtätigkeit führt. Die Integration theoretischer Arbeitsfelder kann sich im Laufe der Zeit etablieren, integraler Bestandteil des Berufsbildes werden und in Zukunft einen Anteil zur Jobsicherheit in designbezogenen Berufen leisten. Zudem hätten DesignerInnen dadurch einen verändertes Kontaktaufkommen zu fremden Disziplinen und Menschen, was wiederum als Inspirationsmoment genutzt werden könnte. Die experimentellen Ansätze von DesignerInnen helfen Unternehmen im Gegenzug dabei, neue Wege zu beschreiten und ausgetretene Pfade zu verlassen.

Die Gestaltung digitaler Medien ist längst in der Designbranche angekommen. Das Internet und das Smartphone haben dabei grundlegende Arbeitsweisen verändert. Heute ist das Digitale nicht mehr nur ein Anhängsel, sondern wird zum zentralen Dreh- und Angelpunkt einer guten Gestaltung. Diese Veränderungen sind aber nicht das Ende der Entwicklung, sondern stoßen weitere Transformationsprozesse an. So wird beispielsweise nutzerzentriertes Handwerk in Unternehmen beim Erstellen digitaler Produkte zunehmend als relevant wahrgenommen. Die veränderten Rahmenbedingungen erweisen sich hinsichtlich der Designlehre als Chance, neue Umgangsformen zu erkunden und innovative Technologien in bestehende Arbeitsweisen zu integrieren.

Hochschulen können in diesem Zuge als Schutzraum für das experimentelle Erarbeiten neuer Möglichkeiten gesehen werden. Hierdurch könnten Dozierende neue, technologische Entwicklungen, wie beispielsweise das Thema rund um Künstliche Intelligenz, in der Lehre mit einbeziehen. Auch ein erweiterter Fokus auf User Interface Design und User Experience Design – egal, ob sprachlich oder visuell, könnten einer gelingenden Lehre zuträglich sein. Neben diesem spezifischen Wissen wäre auch ein besonderes Augenmerk auf die veränderten, strategischen Momente des Designs wichtig. Hierfür müssten Mittel und Methoden des Problemlösungsprozesses thematisiert und das Trainieren einer schnellen Aneignung von Themen forciert werden. Agile Arbeitsprozesse zu nutzen und zu vermitteln, könnte dabei hilfreich sein, Forschungsfragen kontinuierlich zu schärfen. Veränderte Umgangsformen im Designprozess wie Workshops oder Designsprints könnten in einem Designstudium mitunter dabei helfen, Problemen zeitgemäß zu begegnen.

Durch die kontinuierliche Integration neuer Technologien kann ein von den Medien emanzipiertes Verständnis von Design gefördert werden. Bei der Zusammenarbeit mit künstlicher Intelligenz besteht zudem die Chance, auf unerwartete Lösungen zu stoßen, die über die klassischen Kategorien des Designs hinausgehen. Durch das Einbeziehen strategischer Elemente und die Thematisierung beratender Tätigkeiten kann bei Studierenden ein neuer Bezug zur Wirklichkeit angestoßen werden, der es ihnen erlaubt, in der Gestaltung von Gesamtprozessen zu partizipieren. Hierdurch würden sie in der Praxis und fachfremden Disziplinen ernster genommen. Die Wertschöpfung von Design kann sich so in weitere Felder ausbreiten, was wiederum zu einem erweiterten Verständnis der Disziplin beitragen könnte.

2.

Forcierung von disziplin­übergreifenden Ansätzen

Gutes Design entsteht nicht nur aus handwerklichem Können heraus, sondern ist auch ein Ausdruck von Bildung. Besonders deutlich wird dies im disziplinübergreifenden Arbeiten. Dort ist es von besonderer Bedeutung, einen persönlichen Zugriff auf den eigenen Bereich zu haben. Nur wenn DesignerInnen verstehen, wo ihre persönlichen und die disziplinären Stärken und Schwächen liegen, können sie in einen Dialog mit anderen Disziplinen treten. Durch die Entwicklung eines disziplinären Bewusstseins lernen sie einzuschätzen, wo und mit welchen Mitteln sie einen Mehrwert in den disziplinübergreifenden Prozess einbringen können.

Damit Studierende das nötige Selbstbewusstsein in ihrer Disziplin erlangen, müssen sie die handwerklichen Regeln kennen und aufbrechen lernen. Eine gelungene Lehre sollte die Studierenden nicht abrichten, sondern dazu befähigen, sich autark in der disziplinären Geschichte zu bewegen, um Eigenheiten zu gewinnen und nicht Eigenheit zu verlieren. Im Sinne einer multikonzeptionellen Herangehensweise, sollen Studierende sich an verschiedenen Praktiken und Methoden ausprobieren. Im Gespräch mit anderen Fachkulturen sind sie in der Lage, gleichzeitig Unterschiede aushandeln und durch andere Perspektiven deren Wirksamkeit einzuschätzen. Für diesen Prozess der Selbstversicherung, respektive der Selbsterkenntnis, können DesignerInnen die Methoden des Designs transferieren und auf die Disziplin und sich selbst anwenden.

In der Auseinandersetzung mit dem Handwerkszeug können Studierende ihre gestalterische Position finden. Dabei entwickeln sie eine gestalterische Sicherheit und lernen einzuordnen, wo ihre Stärken liegen. Aus dieser reflektierten Haltung gegenüber sich selbst vermögen sie zum einen ein Selbstbewusstsein zu generieren, um am disziplinübergreifenden Dialog teilzunehmen, und zum anderen eine Selbsterkenntnis zu erreichen, die sie fokussierter und verantwortungsvoller gegenüber der eigenen Tätigkeit werden lässt. Durch die Fähigkeit, eigene Stärken zu benennen und zu vermitteln, fällt es den Studierenden leichter, die Attraktivität ihrer Arbeit nach außen steigern. Die Reflexion der eigenen Denkweise gegenüber anderen Disziplinen kann Studierende erkennen lassen, dass sie sich durch ihre unkonventionellen Ansätze und ihre Fähigkeit, frei und ohne klares Ziel zu agieren, als willkommener Dialogpartner etablieren können. Die Selbstverortung in der Disziplin und ihrer Geschichte kann Studierenden damit eine Erweiterung ihres Handlungsraums ermöglichen.

DesignerInnen können nur dann wertvolle Beiträge für das gesellschaftliche Miteinander einbringen, wenn sie über die Grenzen ihrer Disziplin hinaus denken und gesellschaftliche und natürliche Problemlagen in den Blick nehmen können. Um die nötigen Rückschlüsse für ein in diesem Sinne gelungenes Design ziehen zu können, brauchen Designer- Innen ein Verständnis für Menschen, ihre Verhaltensweisen und die Welt, in der sie leben. Fremde Fachwissenschaften können über eben diese Kontexte aufklären, in denen sich Design bewegt. Die Aneignung von wissenschaftliche Theorien und Methoden kann damit eine Grundlage für eine gelungene Designentwicklung sein.

Um Studierende zu befähigen, sich Wissen aus anderen Disziplinen anzueignen, kann eine gute Designlehre die Anschlussfähigkeit an andere Denkweisen fördern. Die Bearbeitung von geisteswissenschaftlichen Feldern kann dafür genauso wirkungsvoll sein, wie das Kennenlernen praxisorientierter Felder mit Designelementen. Um eine funktionale Differenzierung der Disziplinen erkennbar werden und gleichzeitig genug Raum für entscheidende Gestaltungsfragen zu lassen, sollten die wichtigen Aspekte der fachfremden Felder extrahiert und den Studierenden zugänglich gemacht werden. Dafür können Methoden aus angrenzenden Bereichen auf disziplinäre Begriffe gebracht und daraus Modelle gebildet werden.

Durch die Vermittlung von disziplinübergreifendem Wissen in der Designlehre können Studierende ihr Bewusstsein für die eigene Disziplin schärfen und ein Methodenbewusstsein erlangen, das sie über die Grenzen ihrer Disziplin hinaus handlungsfähig macht. Durch die Auseinandersetzung mit fachfremden Themen können Studierende erkennen, dass Design mehr sein kann, als nur Umsetzung und lernen, sich in Zwischenräumen zu bewegen. Ein Wissen über Denkweisen und Kompetenzen anderer Felder hilft ihnen dabei, in der disziplinübergreifenden Arbeit einen Überblick zu bekommen und macht sie bestenfalls zu anschlussfähigen ExpertInnen. Die Studierenden lernen, dass Disziplinen unterschiedliche Sprachen sprechen und können in der Auseinandersetzung mit fachfremdem Vokabular eine Anschlussfähigkeit erlangen. Im Idealfall erkennen Studierende, dass sich fachfremde Disziplinen gegenseitig inspirieren und befähigen können, und erreichen durch ein multiperspektivisches Verständnis eine neue konzeptionelle Intelligenz und Tiefe.

Die Welt und ihre Aufgaben sind zu komplex und die Probleme der Zukunft zu allumfassend, um sie alleine zu lösen. Personen aus verschiedenen Bereichen mit Wissen aus verschiedenen Disziplinen werden sich als designendes Team verstehen müssen, um gute Ergebnisse zu erzielen. Um die Zusammenhänge ganzheitlich zu denken, wird es daher wichtiger, Erkenntnisse aus unterschiedlichen Disziplinen und anderen Wissenschaftsbereichen in gestalterische Entscheidungen zu überführen. In der Praxis spielt disziplinübergreifendes Arbeiten hierfür bereits eine große Rolle, entsprechend sollte es auch in der Lehre aufgegriffen werden. Projekte mit anderen Fachbereichen können die komplexe Wirklichkeit simulieren.

Damit das disziplinenübergreifende Arbeiten in der Lehre gelingt, sollten Studierende in der Lage sein, die eigenen gesellschaftlich-medialen Vorannahmen zu hinterfragen. Durch die unterschiedlichen Hintergründe und Begrifflichkeiten ist es oft nicht einfach, einen gemeinsamen Prozess zu finden. Studierende sollten die Ansätze und Methoden der anderen Bereiche reflektieren und mit ihren eigenen übereinanderlegen, um eine gemeinsame Arbeitsweise zu finden. Durch eine Synthese von Methoden können neue Herangehensweisen entstehen. Entsprechend können ein disziplinenübergreifendes Basiswissen, ein vertieftes Fachwissen und nicht zuletzt eine kommunikative Kompetenz für sie zentral sein. Sie sollten nicht nur die Vokabeln der anderen Disziplinen kennen, sondern auch in der Lage sein, gemeinsame Kontexte zu versprachlichen und zu adressieren. DesignerInnen werden in Hochschulen anders sozialisiert, als Studierende in vielen anderen Disziplinen, und müssen erst ein Gefühl für die Sorgen der Anderen entwickeln. In Gesprächen ist es für sie umso wichtiger, respektvoll zu argumentieren und konstruktiv mit Konflikten umzugehen. Projekte gelingen meist nur dann, wenn ein kontinuierlicher und konstruktiver Austausch unter den Beteiligten gegeben ist.
Um durch disziplinenübergreifende Projekte Synergien zu schaffen und diverse Teams zusammenzuführen, sollten Studiengänge institutionsübergreifend stärker vernetzt werden. Dafür ist es denkbar, dass obligatorische Prüfungsleistungen an anderen Bildungseinrichtungen erbracht werden müssen. Generell sollten Situationen erzeugt werden, in denen neues und anderes Denken und Tun ermöglicht wird, damit Studierende über ihre disziplinäre Praxis hinaus Erfahrungen sammeln können. Bestenfalls geschieht das im Sinne der persönlichen Interessen und individuellen Projektideen der Studierenden.

Bewusst ein- und liberal umgesetzt, kann disziplinübergreifendes Arbeiten auch und gerade in der Designlehre sinnstiftend für die Tätigkeit sein. Ohne eine Interaktion mit anderen Disziplinen laufen DesignerInnen Gefahr, sich im Kreis zu bewegen – außerhalb der eigenen Komfortzone können dagegen Erfahrungen im Unerwarteten gesammelt und die eigenen Stärken überhaupt erst erkannt werden. Mit ihren Ansätzen und ihrem Verständnis von Wertigkeit können DesignerInnen einen Beitrag zur Lösung globaler Herausforderungen leisten. Ihr Wissen, ihre unkonventionelle Herangehensweise und ihr Vermögen, die richtigen Fragen zu stellen, ist wertvoll – egal ob im Dialog mit anderen Fachwissenschaften oder mit Kunden aus der Industrie. In Kommunikation und Kompetenzmanagement liegt für DesignerInnen die Chance, als ModeratorInnen des disziplinübergreifenden Arbeitens zu agieren. Sie können diejenigen sein, die Menschen zusammenbringen und die versuchen, den Prozess mit Blick auf die Anwendung zu kanalisieren, damit das Wesentliche nicht verloren geht.

3.

Kollaboration mit Geistes- und Sozialwissen­schaften

Folgt man der Ansicht, dass Design in Form einer praktischen kulturellen Produktion Anteil daran nimmt, wie sich Menschen die Wirklichkeit erschließen, dann ist es wesensverwandt mit der Philosophie, die nach klassischer Auffassung versucht, das Ganze und seine Zusammenhänge zu deuten. Da sich Designentwürfe und -lösungen in sich stets wandelnden und komplexer werdenden gesellschaftlichen Konstrukten auswirken, steigt dahingehend auch das Bedürfnis nach einer Reflexion des Weltgeschehens aus philosophischer Perspektive.
Materielle und immaterielle Designprodukte sind genauso wie philosophische Überlegungen in verschiedenen Kontexten beheimatet. Um Zusammenhänge auf Mikro- und Makroebenen erkennen zu können, müssen sich beide Disziplinen das vielschichtige Umfeld vergegenwärtigen, in das ihre Gedanken, Entwürfe und Ergebnisse eingebettet werden. Erst wenn DesignerInnen sich tiefgründig mit Problemen beschäftigen, können sie sinnvolle Lösungswege und damit gutes Design erschaffen. Design und Philosophie sind schließlich darin verbunden, dass sie sich an der Frage nach einem guten und gelingenden Leben orientieren.
In der Designdisziplin herrscht generell eine steigende Nachfrage nach reflexiven Inhalten, Methoden, Praktiken und Denkweisen, die mitunter aus der Philosophie kommen. Einerseits wird in der Designpraxis immer mehr Wert auf durchdachte, klare Konzepte und Strategien gelegt und andererseits steigt im Designdiskurs der Bedarf nach Selbstaufklärung, weshalb darin bereits viele Felder von PhilosophInnen besetzt sind.

Es zeigt sich, dass die Philosophie für DesignerInnen das Potenzial bietet, über die Grundbegriffe und Aspekte der Designpraxis kritisch und reflektiert nachzudenken und aufzuklären. Bezogen auf die Designlehre kann das bedeuten, dass Studierende durch eine Auseinandersetzung mit designphilosophischen Schnittstellen (wie der Ästhetik und Ethik) anschlussfähiger in verwandten Themenbereichen werden, die mit dem Design zusammenhängen. Durch die Durchdringung dieser grundlegenden Konzepte kann sich das Verständnis festigen, dass theoretische Überlegungen vom tatsächlichen Entwurf nicht getrennt werden sollten und deshalb einen hohen Stellenwert verkörpern. Philosophische Fragen können deshalb in der Designlehre eine treibende Rolle spielen, was in einigen Institutionen bereits zu fruchtbaren Ergebnissen führt. Als Reflexionsmedium für designrelevante Fragen können DesignerInnen mittels der Philosophie neue Perspektiven auf akute Probleme, unterschiedliche Kontexte und Entwurfskonzepte einnehmen. Indem durch eine differenzierte Auseinandersetzung allgemeine Zusammenhänge hinterfragt werden, können gewohnte Denkweisen in neue Bezüge gesetzt und Grenzen reflektiert werden. Dadurch kann sich ein inspirierender Raum für Kreativität öffnen, da sich kreative Potenziale gerade dort fördern lassen, wo das gewohnte Denken und Handeln endet.

Folgt man der Ansicht, dass das Nachdenken über die Praxis genauso wichtig ist wie die Praxis selbst, dann kann die Philosophie Studierenden zu einem bewussten Weltbezug verhelfen, indem sie die Designpraxis mit ihren Mitteln analysiert. Dadurch können sich Studierende und auch Lehrende in der eigenen Geschichte und im Weltgeschehen besser verorten, positionieren, bilden und ihr Denken schärfen.

Designprobleme sind geprägt von Aspekten der Alltagskultur. Alles gestalterische Tun ist Teil eines gesellschaftlichen Gesamtprozesses und wirkt sich in der Gesellschaft aus. Design leistet somit einen Beitrag zu gesellschaftlicher Entwicklung und hat Einfluss auf Selbstverständnisse und Lebensweisen. Es hilft dabei, Macht zu akkumulieren und muss folglich den gesellschaftlichen Wandel und die damit verbundenen Risiken und Fragen der ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit miteinbeziehen. Die Verhältnisse gesellschaftlicher Konstrukte, auf die das Design dementsprechend reagieren muss, verändern sich ständig unter neuen Anforderungen der Gegenwartsgesellschaft. Design muss diese gesellschaftlichen Transformationsprozesse in einen Gestaltungszusammenhang mit Menschen bringen. In der Digitalisierung verschieben sich Machtverhältnisse zwischen Designern und Anwendern und durch die Globalisierung wird Gestaltetes weltweit sichtbar. Diese Bedingungen provozieren nicht nur eine globale Designsprache, sondern machen auch eine Reflexion der Designtätigkeit vor neuen gesellschaftlichen und kulturellen Hintergründen nötig. Die gesellschaftliche Entwicklung hin zu einer Postwachstumsgesellschaft wirft die Frage nach dem Umgang mit der Verknappung der Ressourcen auf und stellt das Design vor die Aufgabe, ein akzeptables Leben ohne Wachstum zu gestalten.

Soziologie und Design treffen sich in der Untersuchung von Gesellschaft als prägende Kraft des Gestalteten. Die Soziologie versteht das Gestaltete als angepasst an die Gesellschaft, an das Soziale und das Kulturelle, und bearbeitet somit die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von Design. Für das Gestaltete ergibt sich daraus die grundlegende Frage, an welche soziale Umgebung es jeweils angepasst ist. Zu den sozialen Umgebungen gehören zum Beispiel Macht, Gender, Milieu oder Massenmedien. Die Erkenntnisse der Soziologie können über diese sozialen Konstrukte aufklären und Studierenden das Wissen über die Sozialisierung der Menschen mittels gesellschaftstheoretischer Texte oder ethnografischer Experimente zugänglich machen.

Um bei Studierenden ein Bewusstsein für gesellschaftliche Verantwortung zu entwickeln, kann die Designlehre durch Einbindung der Soziologie über gesellschaftliche Konstrukte aufklären und soziale Realitäten untersuchen. Die Soziologie kann ganz wesentlich dazu beitragen, die computerisierte Gesellschaft mit ihren verschiedenen Öffentlichkeiten zu verstehen. Durch eine soziologische Annäherung können Studierende lernen, in diesen Öffentlichkeiten verschiedene Zielgruppen zu identifizieren. Einblicke in den Habitus des Menschen, also die Reflexion des Menschen als Produkt seiner Sozialisation, helfen dabei, das eigene, sozialisatorisch erworbene Vorwissen zu erweitern. Die Anerkennungslogiken des Konsumismus zeigen auf, warum Menschen auf etwas ansprechen, während ein mediensoziologisches Grundlagenwissen Studierende erkennen lässt, in welcher Weise ihre Arbeit auf Menschen wirkt. Diese beiden Aspekte können in Wechselwirkung die Funktionsweisen von Massenmedien erklären und Studierenden ganz konkret dabei helfen, die passenden Wirkmittel für ihre Problemlösung zu wählen. Die Zielgruppenperspektiven der Studierenden werden damit geschärft und sie werden befähigt, Phänomene vor einem gesellschaftlichen Kontext zu untersuchen. Erst wenn sie sich darüber bewusst werden, dass Design nur selten die Macht der Durchsetzung hat und meist mit der Kunst der Verführung arbeitet, können sie sich verantwortungsvoll auf die Gestaltung von Machtbedingungen einlassen. Infolgedessen kann eine wünschenswerte Reduktion des Konsumverhaltens ein grundlegender Wert für reflektiertes Design werden. In der Schnittstelle von Soziologie und Design können Studierende also gesellschaftliche Themen wahrnehmen und diese dem Design zugewandt interpretieren, um ein professionelles Sensorium zu entwickeln.

Design findet zunehmend auf digitalen Endgeräten statt. Durch die modernen Möglichkeiten der Datenauswertung wird die Kommunikation auf diesen Geräten immer spitzer und potenzielle KundInnen können immer direkter angesprochen werden. Durch diese optimierte Form der Kommunikation zwischen Unternehmen und KundInnen dringt Design in immer intimere Lebensbereiche der Menschen ein. Kommunikationsmaßnahmen für eine breit gestreute Zielgruppe werden immer seltener, während die Kommunikation, insbesondere die in digitalen Produkten, gradueller wird. Zudem kommt es vermehrt zu Interaktionen zwischen Nutzern und Produkten. Durch künstliche Intelligenz können die Endgeräte das Verhalten von Nutzern deuten und darauf reagieren. Die intuitive Interaktion mit digitalen Medien und die zunehmende Verankerung von Technologie und Design im Alltag der Menschen lässt die Verantwortung von DesignerInnen wachsen.

Die Thematisierung von psychologischen Aspekten und die Zusammenarbeit mit PsychologInnen in der Designausbildung kann dabei helfen, dieser Verantwortung gerecht zu werden. DesignerInnen können aus den Grundlagenfächern der Psychologie Erkenntnisse gewinnen, weiterführend wären vertiefende Seminare zu relevanten Modellen und Methoden der Psychologie vorstellbar. Bei diesen kann ein Gegenstand der Auseinandersetzung die Untersuchung von Nutzerbedürfnissen und -wünschen im Bezug auf das Design sein. Auch Projekte mit digitalen Produkten, bei denen PsychologInnen, InformatikerInnen und DesignerInnen gemeinsame Lösungsansätze und Prototypen entwickeln, können zu einer gelingenden Designlehre beitragen.

Vergleichbare Lehrinhalte würden voraussichtlich bei DesignerInnen zu einem tieferen Verständnis des menschlichen Erlebens führen und können eine Grundlage für die nutzerzentrierter Gestaltung sein. Zudem können sich die Studierenden bewusster über das Wohlbefinden und die Wahrnehmung von Menschen werden. Durch das Verstehen von motivationspsychologischen Zusammenhängen kann das Herbeiführen von positiven Emotionslagen der Nutzer gezielter fokussiert werden. Produkte auf dieser Grundlage würden eher den Bedürfnissen der NutzerInnen entsprechen und potentielle Folgeschäden einer negativen Erfahrung können hierdurch besser vermieden werden.

4.

Provokation von Reflexion

Veränderungen durch den digitalen Wandel nehmen einen zentralen Stellenwert in der heutigen Gesellschaft und Wirtschaft ein. Sie prägen soziale Umgebungen und Interaktionen und geben Impulse für neue Entwicklungs- und Produktionszyklen. Neue Prozesse und Werkzeuge verändern auch den Gestaltungsprozess und die Kreationsphase. In der Praxis zeigt sich, dass die hohe Dynamik solcher Entwicklungen das Design die Rolle und Funktion von DesignerInnen umgestaltet, was beispielsweise anhand zunehmender Verwendung von unterstützenden Algorithmen deutlich wird. Die Designdisziplin kommt also nicht umhin, sich mit Themen der Technologie und Digitalisierung auseinanderzusetzen.
Allerdings lässt sich beobachten, dass viele aktuelle Diskussionen neue Technologien oft nur oberflächlich und technik-zentriert hinterfragen. Die Sinnhaftigkeit und die Konsequenzen werden zu wenig debattiert. Angesichts dessen, dass mittlerweile viele klassische Felder und Professionalisierungen des Designs an Relevanz verlieren, stehen viele Facetten der Praxis vor der Herausforderung, nicht überflüssig zu werden.

Die Designlehre sollte folglich ein zeitgemäßes Denken über Technologie ermöglichen. Damit kann sie Studierende dazu befähigen, vor dem Hintergrund technologischer, sozialer und gesellschaftlicher Entwicklungen jene Chancen zu nutzen, sinnfällig zu handeln und die eigene Rolle als DesignerIn wahrzunehmen. Um den eigentlichen Mehrwert digitaler Medien erkennen zu können, scheint es unabdingbar, nicht jede Entwicklung unhinterfragt zu akzeptieren. Für einen differenzierten Blick sollte sich die Designlehre vielmehr von der Technologie emanzipieren. Denn folgt man der Annahme, dass gutes Design immer etwas mit dem Lösen vorhandener Probleme zu tun hat, und erkennt gleichzeitig an, dass viele Designgegenstände dem nicht Folge leisten, dann wird klar, dass nicht jede neue Technologie unreflektiert der zentrale Faktor der Lehre sein darf. Beispielsweise sollte auch die ethische Verantwortung eine wesentliche Rolle spielen, da viele Menschen tagtäglich mit gestalteten Medien und Designprodukten umgehen. Daher sollten auch die Reaktionen von Mensch und Gesellschaft auf Medien mitgedacht werden.

Emanzipation von Technologie bedeutet jedoch nicht, sie auszublenden, sondern ein Grundverständnis für digitale Technologien zu etablieren. Im Wechselspiel verschiedener Blickwinkel kann ein Reflexionsraum erschaffen werden, der es StudentInnen ermöglicht, proaktiv mit dem technologischen Wandel umzugehen. Beispielsweise können reflexive Angebote, die auch Handlungsstrategien und Konzepte bewusst mit einbeziehen, das technologisch-gesellschaftliche Spannungsfeld beleuchten und hierdurch einen Spielraum für Kreativität, Innovation und unerwartete Lösungen schaffen. Studierende können darin lernen zu entscheiden, wie und warum sie ihr technisches Verständnis einsetzen.

Designentscheidungen finden in einem vernetzten und komplexen Wirkungsgeflecht aus wirtschaftlichen, politischen, gesellschaftlichen und historischen Elementen statt, weshalb es gegenüber sozioökonomischen Herausforderungen wie dem Klimawandel, der Digitalisierung oder der politischen Lage auch immer eine Verantwortung trägt. Das wird innerhalb der Disziplin zunehmend bewusster. Zudem verändern solche Verhältnisse unter neuen Anforderungen der gegenwärtigen Gesellschaft auch die Probleme und Anforderungen des Designs mit. In der Praxis lässt sich das mitunter daran erkennen, dass ein dynamischer Umgang mit verschiedenen Medien und Tätigkeitsformen gewohnte Bezeichnungen auflöst und Design zunehmend als Prozess betrachtet wird, bei dem nicht nur die Lösung, sondern auch der Weg betrachtet werden sollte. Problem, Umfeld und Prozess einer Lösung gelten als gleichermaßen wichtig, weshalb es für DesignerInnen immer alltäglicher wird, Details, Wirkungskontexte und den Entwurfsprozess zu reflektieren und zu diskutieren.

Für eine zukunftsfähige Designtätigkeit ist es demnach von hoher Bedeutung, sowohl die Makroperspektive, also das Verständnis von übergeordneten Zusammenhängen, als auch die Mikroebene, also das Verständnis von lokalen Kontexten, denken und verbinden zu können. Neben einer multiperspektivischen Denkweise wird es zudem wichtiger, in Konsequenzen denken zu können. DesignerInnen profitieren davon, wenn sie gesellschaftliche, technologische und wirtschaftliche Themenfelder überblicken und gleichzeitig dem Design zugewandt interpretieren können. Eine solche Herangehensweise sollte sich in der Wahl adäquater Mittel widerspiegeln. Denn sowohl eine Reflexion der thematischen Zusammenhänge und Konsequenzen, als auch der eigenen Handlungsoptionen sind im Designprozess immer mehr inbegriffen. Bereits vor dem Entwurf sollten die Folgen des eigenen Schaffens bedacht werden. Ein Designprozess sollte demnach nicht als abgeschlossen betrachtet werden, sobald eine Lösung formuliert wurde.

Studierende sollten also bereits im Studium lernen, die Konsequenzen eigener Entscheidungen zu reflektieren und Erkenntnisse in ihren Gestaltungsprozess zu integrieren. Kausalzusammenhänge sollten durchdacht und strukturiert werden, damit bewusster entworfen und gestaltet werden kann. Ein Mittel, das in eine zeitgemäße Lehre zu übersetzen, ist der Ansatz, Kontexte aus der Praxis in Teilen der Lehre abzubilden, um einen realitätsnahen Bezug zu tatsächlichen Problemlagen zu schaffen. Ebenso wichtig scheint es, kritische Auseinandersetzungen zu provozieren, bei denen das ganze System beleuchtet wird. Da komplexe Probleme in der Praxis nur noch selten durch eine einzelne Disziplin bearbeitet werden und Konsequenzen auf vielen Ebenen zu reflektieren sind, kann auch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Disziplinen eine wichtige Rolle spielen. Auch das ergebnisoffene Arbeiten kann hilfreich sein, da dort freie Handlungsspielräume imaginiert und eigene Erfahrungen gemacht werden können. Ergänzend können reflexive Angebote wie Vorträge und theoretische Arbeiten Einblicke in verschiedene Diskurse und Themen ermöglichen. Indem ein ganzheitlicher Blick gefördert wird und Studierende die Grenzen und Auswirkungen ihrer Handlungen kennenlernen, kommen sie in die Lage, bewusstere Entscheidungen zu treffen und anschlussfähiger an Veränderungen zu sein.

Designtätigkeiten wirken sich in unterschiedlichem Ausmaß in vielen Bereichen aus, angefangen bei psychologischen Effekten, der Kommunikation in sozialen Beziehungen bis hin zu gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen. Deshalb gibt es auch einen anhaltenden Diskurs darüber, was Design ist oder sein sollte. Da sich Design mitunter dadurch definiert, welche Reaktionen es auslösen kann, müssen Designfelder hierfür auf ihre Wirksamkeit hin beleuchtet werden. Nur so können Probleme durchdrungen, Konsequenzen durchdacht und eine fundierte Vorarbeit geleistet werden. Ein solches Reflexionsniveau ist heute ein fester Bestandteil eines guten und anspruchsvollen Designs. In diesem Sinne ist es notwendig, sich als DesignerIn die Vielschichtigkeit der Bereiche zu vergegenwärtigen, in denen sich die eigenen Entscheidungen auswirken. Erst auf Basis der Beantwortung solcher Fragen kann die Grundlage eines gebildeten und erweiterten Designverständnisses entstehen.

Da sich viele Faktoren des Designs oft erst in einer Wechselbeziehung zu angrenzenden Disziplinen und Themenbereichen zu erkennen geben, gehört es zu einer guten Designlehre, DesignerInnen holistisch zu bilden. Einblicke in geistes- und sozialwissenschaftliche Diskurse und Theorien können der Wirksamkeit des Designs einen theoretischen Rahmen geben und DesignerInnen dabei helfen, sich über ihre eigene Disziplin aufzuklären. Da eine solche Verortung eine Grundvoraussetzung für gelungenes Design ist und erst durch eine kritische Selbstdistanz gegenüber der eigenen Tätigkeit geschaffen werden kann, sollte Studierenden ein Spielraum zur Erfahrung der Wirksamkeit ihrer eigenen Tätigkeiten geboten werden. Sinnvolle Mittel können ergebnisoffenes und experimentelles Arbeiten sowie reflexive Theorieangebote sein, in denen Studierende theoretisch und praktisch mit Designbedeutungen und -auswirkungen konfrontiert werden.

Auseinandersetzungen mit der Wirksamkeit von Design können Studierenden dazu befähigen, ihre Tätigkeit aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, ihr disziplinäres Bewusstsein zu schärfen und ihre eigenen Einfluss in der Gesellschaft zu erkennen. Da sich der Designprozess und die gestalterische Intuition mit dem Verständnis der Praxis verändern, kann so auch die Grundlage für bewusste Handlungen geschaffen werden. Indem sie sich intensiv mit der Wirksamkeit von Design und ihrer Selbstwirksamkeit auseinandersetzen, können DesignerInnen im Zusammenspiel mit ihren Haltungen und Ansichten selbstbewusster gestalten, was schließlich auch den Moment persönlicher Bildung vorantreibt.

Da DesignerInnen nicht nur Produkte und digitale Medien, sondern auch Diskurse und verschiedene Strukturen von Öffentlichkeiten mit gestalten, tragen sie immer eine gesellschaftliche Verantwortung. Um zukünftige Lösungen bedenken zu können, müssen DesignerInnen demnach auf gesellschaftliche Bedürfnisse und ökologische und soziale Problemlagen reagieren. Dem voraus geht immer eine grundlegende Idee von einem guten und gelingenden Leben und eine Antwort auf die Frage, was eine gute Gesellschaft ausmacht. Daher sollte die Rolle des Designs in der heutigen Gesellschaft intensiver diskutiert werden. Um sich in der Gesellschaft verorten zu können, müssen DesignerInnen sich und ihre Arbeit vor dem Hintergrund einer wachsenden Verantwortung ethisch reflektieren können und immer wieder in Frage stellen. Das ist deshalb wichtig, da viele Designgegenstände keine Probleme in der Welt lösen und oft nur eine getaktete Wiederauflage zugunsten reiner Vermarktungszwecke sind.

Ein großes und wichtiges Potenzial liegt für die Designlehre demnach darin, ethische und moralische Thematiken, die in der Praxis aufkommen, im Studium aufzugreifen und zu bearbeiten. So kann Studierenden die Möglichkeit nahegelegt werden, einen ethisch-moralischen Kompass zu entwickeln, um sich im eigenen Handlungsspielraum der eigenen Konsequenzen bewusst zu werden und abseits von Auftraggebern orientieren und bewegen zu können. Im Idealfall entsteht so ein Bewusstsein für die gesellschaftliche Verantwortung des Designs wie auch eine Motivation, sich als DesignerIn mit sozialen Realitäten und Problemen auseinanderzusetzen und aktiv positiven Einfluss nehmen zu wollen. Studierende sollten sich bereits während dem Studium damit auseinandersetzen, was und wie sie arbeiten wollen und vor allem, warum sie etwas machen wollen.
Um dies zu gewährleisten, sollten relevante ethische Diskurse, Problemlagen und Themen aufgegriffen und mit Bezug auf Designtätigkeiten reflektiert werden. Für eine fundierte Gesprächsgrundlage kann es hilfreich sein, durch die Einführung in grundlegende ethische Positionen, Begründungszusammenhänge, Modelle und Prinzipien einen neuen Blick auf die eigene Tätigkeit zu schaffen. Ethische Fragen sollten aber auch vor und während dem Designprozess integriert werden, um Bezüge herstellen zu können. Angebote wie offenes Arbeiten und freies Denken können zudem eine persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema Ethik und Moral gewährleisten, was im Idealfall die Reflexion der eigenen Haltung vorantreibt.

Schlussendlich können Studierende so im Sinne der Verantwortung und Mündigkeit auf die Herausforderung vorbereitet werden, sich zwischen einer angewandten und auftragsorientierten Praxiswelt und ethischen Werten zu positionieren. Denn um sich kreativ entfalten zu können, sollten sich DesignerInnen auch bewusst ein Stück weit gegen manche sozialen, wirtschaftlichen und politischen Umstände widersetzen können.

Die Anforderungen und das Können von DesignerInnen sind immer mit der eigenen Haltung, Reflexion und dem Umgang mit Ausgangslagen, Entwürfen und Designgegenständen verbunden. Da das Design an sich wandelnde Wirkungskontexte gekoppelt ist, steht die Haltung von DesignerInnen in einer dialektischen Relation zu gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Transformationen. Eine selbstreflektierte und selbstkritische Haltung ist damit eine Grundvoraussetzung für die Anpassung an permanente Veränderungen und für die Fähigkeit, diese als DesignerIn sinnfällig mitzugestalten. Wenn DesignerInnen Anschluss an heutige Entwicklungen und zunehmend komplexe öffentliche Debatten finden wollen, dann müssen sie sich mit aktuellen Thematiken auseinandersetzen und ihre diesbezügliche Haltung immer wieder reflektieren. Eine kritische Auseinandersetzung zur eigenen Haltung erweist sich daher als essentielle Kernkompetenz für zukunftsfähige DesignerInnen.

In diesem Sinne sollte auch die Designlehre stets darauf ausgerichtet sein, mündige GestalterInnen auszubilden, die sich selbstständig weiterbilden, eigene Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen können. Folgt man der Ansicht, dass gutes Design ein Ausdruck von Bildung und damit der Entwicklung einer Haltung im eigenen Bereich ist, müssen Studierende während dem Studium Selbsterkenntnis und Selbstwirksamkeit erfahren. Eine Grundvoraussetzung hierfür ist ein disziplinäres Bewusstsein, woraus sich ein persönlicher und bewusster Zugriff auf die Breite und das Wissen des eigenen Bereichs entwickeln kann. Studierenden sollte eine disziplinäre Ausgangslage in der eigenen Geschichte zuteil werden, wodurch sie ihre persönliche Bildung und Motivation in einen theoretischen und wissensbasierten Rahmen setzen können.
Damit ein Studium das Spektrum unterschiedlicher Diskurse verdeutlichen kann, mit denen Design verbunden ist, sollten aktuelle gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Thematiken in die Lehre eingebunden werden. So können Spannungsfelder im Design abgebildet und erfahrbar gemacht werden und Studierende können die Beziehungen zwischen Design und Systemen, Technologien und gesellschaftlichen Entwicklungen uneingeschränkt durchdenken und eigene Ansichten reflektieren. Damit Studierende nicht bei oberflächlichen Überlegungen verbleiben, ist genügend Zeit zur Auseinandersetzung ein treibender Faktor. Ebenso kann eine freie Themenwahl das freie Denken, Schreiben und Lesen fördern. Zudem können zusätzliche Referenzen die eigene Haltungsbildung von außen vorantreiben und DesignerInnen dazu befähigen, eigene Ansichten und Meinungen in Bezug zu setzen. Um keine Haltung entstehen zu lassen, die sich zu sehr auf das eigene Gebiet beschränkt, können in diesem Zuge auch disziplinübergreifende Angebote eine wesentliche Rolle spielen.

Die Reflexion der eigenen Haltung kann so dazu beitragen, selbstbewusste Gestalterpersönlichkeiten auszubilden, die sich durch eine gute Selbsteinschätzung und ein kritisches Bewusstsein auszeichnen. Das kann schließlich zu gestalterischer Mündigkeit führen.

5.

Verflechtung von Theorie und Praxis

In jeder Designtätigkeit ist ein theoretischer Moment verankert. Das theoretische Reflektieren über das Problem und die Zielgruppe, über Handlungsoptionen und deren Konsequenzen sowie über jede konzeptionelle Entscheidung bedingen das Gestalten unmittelbar. Neben dieser praxisorientierten Reflexion steht aber noch eine andere theoretische Tätigkeit, die einen gerechtfertigten Anspruch auf Eigenständigkeit erhebt: Die wissenschaftliche Reflexion in Form von Schreiben, Argumentieren und Diskutieren. Sie darf nicht als bloße Verlängerung der Praxis verstanden werden, sondern muss sich vielmehr von dem Interesse, die Praxis zu beeinflussen, distanzieren. Die Idee einer autarken Designtheorie, die zwar von Praxisbeispielen ausgeht, aber gleichzeitig der reflexiven Tätigkeit einen Handlungsraum über Verwertungslogiken hinaus gewährt, kann in der Lehre zu einem tiefgründigen Verständnis von Theorie führen.

Um das leisten zu können, sollte die Designlehre einen Raum schaffen, in dem sich Studierende in einer möglichst differenzierten, theoretisch reflektierenden Weise mit Objekten und Phänomenen beschäftigen können. Diese Auseinandersetzung sollte im ersten Schritt völlig ergebnisoffen stattfinden können. Für eine produktive Beschäftigung mit Theorie ist es wesentlich, dass sich alle Studierenden gleichberechtigt am Diskurs beteiligen und ihre Sicht der Dinge einbringen können, um aus den verschiedenen Sichtweisen gemeinsam etwas Neues zu schaffen. Dieser kreative Moment ermöglicht es, dass Studierende die Wirksamkeit von Theorie erkennen. Die dafür initiierten Reflexionsprozesse sollten von den Studierenden als gedanklicher und theoretischer Vollzug beobachtet werden, um die Theorie als Praxis zu begreifen.

Theorie als reflexiver Moment bietet Studierenden damit die Chance, sich auf eine differenzierte Art und Weise mit dem Phänomen Design und seinen Gegenständen auseinanderzusetzen, ein freieres Denken zu entwickeln und zu fundierten Entscheidungen zu gelangen. Mithilfe unterschiedlicher theoretischer Perspektiven lernen Studierende, eine gedankliche Distanz zu verschiedenen gesellschafts- und kulturtheoretischen Themen einzunehmen. Die Entkopplung von einer Verwertungslogik macht Studierenden eine freie theoretische Reflexion überhaupt erst zugänglich und erhöht deren Selbstwirksamkeit durch ein Verständnis für Theorie, das für viele progressive Designfelder elementar ist.

Im Designdiskurs und auch in der Designpraxis lässt sich beobachten, dass theoriebasierte Tätigkeitsfelder zunehmend an Relevanz gewinnen. Besonders progressive Felder wie Social oder Civic Design lassen erahnen, welchen Stellenwert theoretische Inhalte im Design einnehmen können. In der Designforschung hat die Theorie bereits einen großen Einfluss auf die Entwicklung neuer Konzepte und Modelle. Es zeichnet sich ab, dass im gesellschaftlichen Trend zur Akademisierung des Könnens die theoretische Reflexion und die Designpraxis generell näher zusammenrücken müssen, um zukunftsfähig zu bleiben. Während die Theorie durchaus als eigenständige Praxis betrachtet werden kann und soll (siehe dazu vorheriges Potenzial), müssen Theorie und Designpraxis darauf aufbauend in produktiven Schnittpunkten interagieren.

Um diese Annäherung zu forcieren, sollte die Designlehre die theoretische Reflexion in der Projektpraxis fördern. So kann sie verhindern, dass Theorie im Studium als reiner Anhang an die Ausbildung und damit als Pflicht empfunden wird. Im problemfindungsorientierten theoretischen Reflektieren eines Projektes liegt für Studierende die Chance, sich auf eine neue Weise mit dem Designprozess auseinanderzusetzen. Aus verschiedenen theoretischen Positionen zum Thema können Implikationen für den Entwurfsprozess abgeleitet und ein neuer Blick auf die eigene Tätigkeit gewonnen werden.

Richtig eingesetzt kann die Theorie in der Lehre dabei helfen, neue Prozesse und Methoden im Repertoire der Studierenden zu verankern. Eine mehrdimensionale Betrachtung des Problems fördert die konzeptionelle Intelligenz und Tiefe der Lösung. Für eine gelungene Designentwicklung scheint es somit wesentlich, fundiertes theoretisches Wissen in einen praktischen Kontext setzen zu können. Studierende sollten dabei bestenfalls zwischen Wissenserwerb und -anwendung pendeln. Die Theorie kann im ersten Schritt einen konstruktiven Weg zur Problemfindung liefern, um danach den Entwurfsprozess mit Bildern zu inspirieren, welche die Grenzen des Vorstellungsvermögens aufbrechen. Schlussendlich kann die Einbindung von Theorie in die Designpraxis Studierenden dabei helfen, in ihrer Tätigkeit verantwortungsvoll zu handeln und tatsächliche Mehrwerte zu schaffen.

Im Zuge der Digitalisierung müssen DesignerInnen sich mit immer komplexeren Problemstellungen auseinanderzusetzen. Dabei können sie die Welt zwar nicht alleine retten, tragen aber eine Teilverantwortung für die Herausforderungen unserer Zeit. Es wird immer schwerer, relevantes Design zu machen, ohne sich mit den großen Problemlagen der Welt auseinander zu setzen. Das Problem dabei besteht darin, dass sich althergebrachte Designmethoden tendenziell eher mit der Form von Dingen befassen und nicht dafür gemacht sind, die Vielschichtigkeit solch komplexer Probleme zu durchdringen. Als Reaktion auf diese Situation beschäftigen sich immer mehr Felder im Design mit theoriebezogenen, wissenschaftlichen Tätigkeiten. Einige dieser neuen Berufszweige haben bereits ihren Weg in die Unternehmen gefunden und sorgen dabei für eine steigende Nachfrage an ResearcherInnen mit Wurzeln im Design.

In der Designlehre könnte diese Entwicklung genutzt und vorangetrieben werden. Hierfür müsste sich ein stärkerer Fokus auf die Fundamente einer Problemlösung etablieren. Research und die Beschäftigung mit der Problemfindung kann dabei als integraler Teil des Designs an Hochschulen kultiviert werden. Die Vermittlung von Methoden zur Erschließung von relevanten Forschungsfragen und die Dokumentation der Ergebnisse spielt dabei eine wichtige Rolle. Auch wiederholte Irritationen, durch wiederkehrende Reflexionszyklen und das systematische Hinterfragen vorangegangener Untersuchungen kann Studierenden bei der Bewältigung von Komplexität helfen. Das Hinzuziehen von Wissen aus Fachbereichen, die einen Schwerpunkt im Verfügbarmachen komplexer Gegebenheiten haben, kann ein wichtiger Schritt sein, um große Informationsmengen handhabbar zu gestalten.

Der Fokus auf den Research, insbesondere durch schärfer formulierte Problemstellungen, könnte zu nachhaltigeren Designlösungen führen. Ein forscherischer Designansatz birgt zudem die Möglichkeit einer angemessenen Begegnung von Komplexität. Ein ganzheitlicher Problemlösungsprozess und eine fundierte Recherche können, neben der Qualitätssteigerung der gestalteten Gegenstände, auch zu einem Zuwachs der Relevanz von Design im Bewusstsein von DesignerInnen und Unternehmen führen. Hierdurch kann auch die Akzeptanz gegenüber Designmethoden bei Unternehmensentscheidungen wachsen, was sich wiederum auf das allgemeine Designverständnis auswirkt.

Über das Projekt

Im Rahmen der Masterarbeit Potenziale zur Transformation der Designlehre. Eine Analyse von Perspektiven im Design an der Hochschule Konstanz entstanden 21 Interviews mit ausgewählte Expertinnen und Experten aus Theorie und Praxis des Designs, sowie aus angrenzenden Bereichen. Gesprochen wurde dabei über den Status Quo der Disziplin, relevante Mittel und Methoden, zentrale Kompetenzen sowie konstruktive Schnittstellen zu anderen Disziplinen. Zudem wurden fünf Expertinnen und Experten aus angrenzenden wissenschaftlichen Feldern zu möglichen Synergien zwischen ihren Disziplinen und Design, sowie zu didaktischen Konzepten befragt.

Gespräche zu Perspektiven im Design

Obwohl die Gespräche im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit entstanden sind, geben sie auch ohne forscherisches Interesse spannende Einblicke in Perspektiven im und auf Design. Grund genug, sie als Podcasts zu veröffentlichen.

satzmitniks. auf Instagram