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Daniel Martin Feige

Professor für Philosophie und Ästhetik in der Fachgruppe Design
Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart

Kurzbeschreibung

Wir sind heute an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart in der Fachgruppe Design und unterhalten uns mit Daniel Martin Feige, der hier seit 2015 als Juniorprofessor und seit 2018 als Professor für Philosophie und Ästhetik unter besonderer Berücksichtigung des Designs lehrt. Zuvor studierte er Jazz-Piano in Amsterdam und danach Philosophie, Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Psychologie an den Universitäten Gießen und Frankfurt am Main. 2009 promovierte er dann in Frankfurt mit einer Arbeit zur philosophischen Kunsttheorie. Bis 2015 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin beschäftigt, wo er 2017 habilitierte. Zudem hatte er auch eine Gastprofessur an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule in Halle inne. Seine derzeitigen Forschungsschwerpunkte reichen von der philosophischen Ästhetik, Philosophie der Kunst und Philosophie des Designs bis hin zur philosophischen Anthropologie und Sozialphilosophie. Momentan ist er an laufenden Forschungsprojekten beteiligt, hält zahlreiche Vorträge, ist Mitglied vieler Verbände und Gesellschaften und Autor zahlreicher Publikationen, beispielsweise einer Ästhetik der Computerspiele, einer Philosophie des Jazz und jüngst einer philosophischen Analyse des Designs.

Das Gespräch mit Daniel Martin Feige führte Yannick Marszalek am 14.11.2019 an der ABK Stuttgart.

Motivation

Was motiviert Sie neben all diesen Themenfeldern dazu, intensiv an der Schnittstelle von Design auf der einen und Philosophie und Ästhetik auf der anderen Seite zu forschen?

Sie haben ja schon die Bücher zum Jazz und zu Computerspielen genannt. Das Design passt ganz gut in diese Reihe, weil ich mich sehr für eher scheinbar randständige Bereiche in der Ästhetik interessiere. Ich arbeite schon sehr viel über die Kunst und habe in meiner Dissertation im Anschluss an Hegel über die Kunst geschrieben. Das Interessante am Design ist für mich, dass sich aus dessen Perspektive viele ästhetische Fragen noch mal ganz anders ausnehmen lassen, um über Ästhetik nachzudenken. Beispielsweise kann man meiner Meinung nach für das Design keinen klassisch kontemplativen Begriff der Ästhetik verwenden, wie er in der ästhetischen Kunsttheorie immer noch vertreten wird, weil wir es bei Designgegenständen mit Gegenständen zu tun haben, die zu was da sind und mit denen man irgendwas anfangen muss. Ich versuche also, von den Randbereichen des Ästhetischen aus an das Zentrum ästhetischer Fragen heranzutreten. Und hier eignet sich das Design sehr gut, weil es sich insgesamt um einen Bereich handelt, der in der Philosophie bislang nicht stark im Zentrum stand und bei dem auch nicht so ganz klar ist, wie er sich zu klassischen Bereichen wie der Kunst oder dem Naturschönen verhält.

Das ist gerade im Hinblick auf ihre Publikationen auch ein Stück weit Pionierarbeit im deutschen Raum, aus der Warte philosophischer Ästhetik auf das Design zu zugehen.

Ja, aber man arbeitet sich auch immer an Vorschlägen ab, die schon gemacht worden sind. Sicherlich versuche ich, mit dem Buch über Design einen philosophischen Keil einzuschlagen, obwohl es auch ein Einführungsbuch geworden ist. In der angloamerikanischen Diskussion gibt es beispielsweise schon ziemlich viel Diskussionen über das Thema, wie man an den Arbeiten von Glenn Parsons oder Jane Forsey sehen kann. Ich würde sagen, dass es in dem Bereich gerade brodelt und habe eben im deutschen Raum versucht, aus einer europäischen und auch informierten amerikanischen Perspektive etwas beizutragen.

Designbegriff

Wenn man so will, haben Sie mit ihrem Buch innerhalb dieses Selbstaufklärungsprozesses, der im Design gerade stattfindet, auch einen begriffsklärenden Keil eingeschlagen. Welche Spezifika kennzeichnen ihren Designbegriff, an was macht er sich im Kern fest?

Da ich den Eindruck habe, dass die Designtheorie und Designforschung relativ stark von einem entgrenzten Designbegriff geprägt sind, versuche ich in erster Linie, einen konservativ aussehenden Begriff zu entwickeln, der durchaus mit einem Funktion- und Formbegriff operiert. Mein Projekt ist zu sagen, dass wir an solchen klassischen Erläuterungen etwas verteidigen können, gerade wenn es um die Unterscheidung zur Kunst und auch um die Frage des emanzipatorischen Potenzials von Design geht. Da gehöre ich nicht zu der Fraktion, die Design und Kunst in denselben Topf werfen. Natürlich sind beides ästhetische Prozesse, aber eine Vermischung scheint mir dahingehend ein Problem zu sein, dass dadurch in der Theorie und Praxis bestimmte relevante Unterscheidungen nicht mehr klar gemacht werden können.

Bezogen auf das Buchkapitel zur Geschichtlichkeit des Designbegriffs muss ich allerdings auch sagen, dass mir keine Definition des Begriffs vorschwebt. Wenn man sich mit ästhetischen Gegenständen beschäftigt, hat man es mit Gegenständen zu tun, die immer in Bewegung sind. Deshalb ist es mir in der Ästhetik generell fremd, im klassischen Sinne eine Definition zu suchen. Ich glaube, dass man da eine andere Art begrifflicher Artikulation braucht. Wir haben es hier nicht mit mathematischen Formen zu tun, sondern mit Dingen innerhalb einer Praxis, weshalb ich versuche, trotz der Fluidität der Phänomene eine begriffliche Strenge beizubehalten. Damit ist nicht gemeint, Sachen prinzipiell auszuschließen, sondern eine begriffliche Präzision in einem Bereich vorzuschlagen, der generell in Bewegung ist und bleibt.

Wenn ich das richtig sehe, lässt sich das im Buch auch daran festmachen, dass sie mit Ludwig Wittgensteins Begriff der Familienähnlichkeit operiert haben.

Ja, der wird jedoch von mir mit Hegel auch kritisiert. Ich habe aber Sympathien dafür, erst mal zu schauen, was im pluralen Sinne alles Design sein kann, um dann aber einen systematischen Vorschlag zu machen, der über eine Verzeichnung von Verwendungsweisen hinausgeht. Ein solcher Begriff ist natürlich sehr klassisch geprägt, weshalb ich auf Tagungen auch ordentlich Kontra bekomme, aber damit kann ich leben.

So oder so sieht man, dass der Diskurs dahingehend floriert und der Designbegriff demnach intensiv diskutiert wird. An welchen Stellen wird ihrer Beobachtung nach am heftigsten diskutiert, was Design ist und was nicht?

Auf der praktischen Seite wird die Frage des Zugangs zu ästhetischen Distributionsformen und Märkten viel diskutiert. Wenn Design anfängt, in den Kunstbereich zu gehen und sich ein Designmarkt wie ein Kunstmarkt entwickelt, wird das Ganze unentscheidbar. Das ist deshalb eine praktische Frage, weil man in dem Kontext monetäre und politische Interessen nicht ausblenden kann.

Die systematisch spannende Frage ist für mich aber eigentlich das Verhältnis von Politik und Design, worüber es auch schon heftige Debatten gibt. Friedrich von Borries hat beispielsweise darüber ein Buch geschrieben, das man auch durchaus kritisch sehen kann. Dennoch arbeiten gerade viele Leute aus vielen Bereichen der Designtheorie an diesem Thema, besonders im Grenzbereich zum Social Design. Und es scheint mir, dass es sich hier um eine schwierige Frage handelt. Ich habe selbst schon einiges darüber geschrieben, wie es sich mit dem emanzipatorischen Potenzial des Designs verhält. Ich bin mir dabei aber selber nicht so sicher, ob das Design Teil der Lösung oder Teil des Problems ist.

Wie würden Sie, angesichts dieser Vielfalt neuer Designbereiche, speziell das Kommunikationsdesign in ihrem Designbegriff verorten?

Unser größter Studiengang vor Ort ist auch Kommunikationsdesign. Ich habe es hier jedoch auch mit anderen klassischen Designfeldern wie dem Industrial Design oder Textildesign zu tun, also weniger mit Transportation Design oder Interaction Design oder etwas in der Art. Dementsprechend bin ich dadurch geprägt, in den Klassen unterwegs zu sein, mit den KollegInnen zu sprechen und zu sehen, was hier so passiert, wobei es hier auch sehr explorativ vor sich geht. Ich denke aber schon, dass man zum Kommunikationsdesign einige konventionelle Sachen sagen kann, obwohl das jetzt kein Deutungsversuch ist. Aber wenn man sich beispielsweise mit dem Begriff des Plakats beschäftigt, hat das was mit Informationsvermittlung für eine anonyme und doch bestimmte Öffentlichkeit und mit öffentlichen Räumen zu tun. Ebenso hat es etwas damit zu tun, wenn man sich mit digitalen Formaten beschäftigt. Obwohl wir über Designgegenstände oft aus verschiedenen Blickwinkeln sprechen müssen, um sie zu verstehen, denke ich im Buch auch über die Entgrenzung zwischen Design und Kunst nach. Insofern würde ich allgemein erst mal sagen, dass man in ganz klassischen Designformen schauen kann, wie sie funktionieren und sie auch an ihre Grenzen treiben, um da etwas Sinnvolles sagen zu können.

Theorie & Praxis

Wie würden Sie gerade aus Sicht eines Philosophen aus der Ästhetik das derzeitige Verhältnis zwischen Theorie und Praxis im Design beschreiben?

Ich lehne den Gedanken einer normativen Festlegung ab, demzufolge die Theorie als bloße Verlängerung der Praxis zu verstehen ist. Das halte ich für unglaublich problematisch, weil das meines Erachtens in weiten Teilen zu schlechter Theorie führt. Nach meinem Verständnis gibt es durchaus einen starken Unterschied zwischen Theorie und Praxis, wozu ich zwei Bemerkungen habe. Erstens glaube ich, dass meine theoretische Tätigkeit selber eine Art von Praxis ist, nämlich die Praxis des Denkens, also eine Tätigkeitsform, in der man schreibend, argumentierend und diskutierend in der Welt unterwegs ist. Das ist jedoch eine andere Form der Praxis als das Design, weil man keine gestalteten Gegenstände hervorbringt, sondern z.B. Bücher. Und um zu verstehen, was ein philosophisches Buch ist, reicht es eben nicht, nur auf die Typografie zu schauen. Obwohl wir also verschiedene Praktiken wie das Wissenschaftliche von Designpraktiken unterscheiden können, scheint es mir dennoch wichtig, diese im weitesten Sinne als Praxisformen zu verstehen.

Zweitens glaube ich, dass der Sinn einer theoretischen Praxis im Design in der Aufklärung der Designpraxis liegt. Ich verstehe die Philosophie des Designs also so, dass Sie darüber nachdenken sollte, was eigentlich die Grundbegriffe oder Aspekte der Designpraxis sind, ohne jedoch bestimmend in die Praxis eingreifen und zu wollen. So etwas würde ich mir selbst gar nicht zutrauen. Wenn ich als Jazz-Pianist über Jazz schreibe, habe ich auch nicht den Anspruch zu sagen, wie jemand etwas zu tun hat. Diesen Gedanken halte ich für sehr seltsam. Wichtig ist mir eher der Versuch einer Reflexion, um mit DesignerInnen im gemeinsamen Gespräch, gemeinsamen Lesen und gemeinsamen Diskutieren etwas an dem, was DesignerInnen tun, verständlich zu machen. Wenn ich in der Diplombetreuung involviert bin, diskutieren wir natürlich auch über die Sachen, die die Studierenden lesen, denn auch solche Diskurse prägen die Arbeiten. Aber bei Designdiplomen handelt es sich nicht nur um Diskurse, sondern auch um grafisch markante Gegenstände, die einen ästhetischen Punkt vertreten oder nicht, genauso wie sie intelligent oder nicht intelligent sein können. Was ich hier mache, hat also einerseits einen Eigensinn, indem ich hier Theorie und Philosophie im vollen Sinne mache, andererseits mache ich aber auch etwas, an dem sich DesignerInnen abarbeiten und durch das sie etwas über ihre eigene Praxis lernen können. Das ist mein Anspruch.

Hat eine designtheoretische und philosophische Reflexion dennoch einen Einfluss auf den praktischen Designprozess?

Ja, das habe ich eben angedeutet. Ich glaube in bestimmter Weise schon, dass wir eine Art von Lebewesen sind, die eine Praxis anders vollziehen, wenn sich ihr Verständnis verändert. Wir sind keine Roboter, Maschinen oder Algorithmen und deshalb handelt es sich im Design bei der Tätigkeit des Gestaltens um kein bloßes Verhalten. Deswegen würde ich sagen, dass sich, wenn man ein anderes Verständnis seiner Praxis entwickelt, auch die Kontur dieser Praxis auf eine bestimmte Weise verändert. Das ist zwar sehr theoretisch gesagt, aber auch im handgreiflichen Sinne so gemeint, dass das schon geschieht, wenn man sich mit bestimmten Themen im Diplom beschäftigt und anfängt, verschiedenes über ein Thema zu lesen und darüber zu diskutieren, um was für ein Thema es sich eigentlich handelt und was dazu gehört. Wenn man sich beispielsweise mit politischer Partizipation im Design beschäftigt, wird man sofort auf Fragen zurückgeworfen, die nicht mehr rein akademisch sind, sondern auch davon handeln, wie Theorie an sich abbildbar in Gestaltungsgegenständen wird. Das bedeutet zu überlegen, wie ein gewisses Niveau und eine gewisse Komplexität, die man im Nachdenken über das Thema entwickelt, in gestalteten Gegenständen umzumünzen wäre. Wie gesagt, es geht dabei nicht um eine Übersetzung oder Übertragung. Diese Annahme wäre trivial. Ich denke eher, dass eine Reflexion im Denken über Unterschiede und Probleme durchaus einen Einfluss auf die Gestaltungspraxis hat und dass man Sachen dadurch anders gestaltet.

Wenn man diesen Reflexionsprozess auf den Diskurs und die Disziplin des Designs bezieht, wie würden Sie darauf aufbauend die momentane Situation der Designdisziplin bewerten?

Mein Eindruck ist, dass sie im Wandel begriffen ist. Ich bin aber auch noch nicht so lange dabei, da ich mich tatsächlich erst seit vier Jahren intensiv mit den Debatten der Praxis auseinandersetze. Vorher habe ich das alles eher von der Seite her wahrgenommen. Dennoch ist mein derzeitiger Eindruck, dass es gerade ein großes Bedürfnis nach einer Selbstverständigung im Design gibt, und dass es, einfach ausgedrückt, nicht mehr darum geht, schöne Sachen zu produzieren, mit denen man nachher gut in einer Werbeagentur arbeiten kann. Das Thema gestaltet sich mittlerweile einfach komplexer, obwohl es natürlich auch nie ein einfaches Thema war. Im Vergleich war beispielsweise die Kunst immer schon ein Betrieb, der ohne theoretische Reflexion sein eigenes Geschäft überhaupt nicht zustande bringt. Und mein Eindruck ist, dass das Design anfängt, da nachzuziehen, weil es sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung klarer wird. Momentan relevante Themen wie den Rechtspopulismus oder den Klimawandel wird man nicht ohne eine bestimmte Umgestaltung der Gesellschaft bearbeiten können. Und eine solche Umgestaltung ist immer auch mit Designentscheidungen verbunden. Ich habe den Eindruck, dass das im Designbereich mittlerweile bewusst ist und deshalb das Bedürfnis wächst, darüber nachzudenken, was eigentlich die Signifikanz und Probleme der eigenen Praxis sind.

Dennoch muss ich sagen, dass dahingehend in vielen Teilen der Praxis auch eine gewisse Blindheit vorherrscht. Es gibt Leute, die machen einfach ihre Praxis. Das ist aber auch in Ordnung und kann auch für sich funktionieren. Man muss als Jazz-Pianist auch nicht darüber nachdenken, was sie angemessene Theorie des Jazz ist, um eben gut Jazz spielen zu können. Ebenso muss man im Design (wahrscheinlich anders als in der Kunst) auch nicht zwangsweise darüber nachdenken, was Design ist, um gutes Design machen zu können. Man kann aber eben beobachten, dass bestimmte Designpraktiken wie das Social Design dahingehend ein starkes Bedürfnis zur Selbstverständigung entwickeln, weil sie intern auf solche Überlegungen angewiesen sind.

Was würden Sie sagen, wo ist diese Kluft zwischen Diskurs und Debatte und der Praxis, die durch diese reflektiert werden soll, am größten?

Ich denke in ganz klassisch funktionalen Formen, beispielsweise wenn man einen Stuhl oder ein Plakat gestaltet. Natürlich handelt es sich dabei um keine blinden Prozesse, da der Gestaltungsprozess generell ein hochgradig reflexiver Prozess ist, was die Entwicklung von Konzepten, Ideen und überhaupt die Verkörperung von Ideen angeht. Aber das ist nicht notwendigerweise mit weitergehenden Überlegungen darüber verbunden, was eigentlich die Rolle des Designs in der Gesellschaft ist. Designformen wie das Social Design, die klassische Kategorien überschreiten und anfangen, in allen Bereichen aktiv zu werden, sind intern natürlich eher auf diese großen konzeptuellen Fragen verwiesen. Da ist es eben etwas anderes, wenn man ein Buch oder ein Plakat macht, wobei es auch da eine große Sensitivität braucht. Das will ich nicht falsch verstanden wissen. Aber es handelt sich hier vielleicht eher um eine Praxis, in der man auch gute ästhetische Antworten finden kann, ohne den ganzen Tag über solche Fragen nachzudenken. Das ist also kein Einwand, sondern erst mal eine Diagnose.

Gerade jetzt verändert sich aber auch vieles in der Praxis, beispielsweise wenn Designtools demokratisiert und generell zugänglicher werden, Stichwort Logogeneratoren. Was sind dahingehend aus Ihrer Sicht generelle Chancen und Risiken für die Designpraxis?

Ich habe immer große Probleme mit dummen Schlagworten, jetzt mache ich selber eines auf: Der digitale Wandel ist am Start. Wir haben hier vor Ort in weiten Teilen tatsächlich AutorInnen im Design (so sehe ich zumindest meine KollegInnen), die etwas Besonderes können, was andere nicht können, und von denen kann man als StudentIn eben etwas lernen, was man nicht anders lernen kann. Dennoch verändert sich die Rolle von DesignerInnen durch solche Gegebenheiten. Ich weiß allerdings nicht, ob man das Gesagte Designtools nennen kann. Das sind für mich eher Algorithmen. Und man muss natürlich auch dazu sagen, was man unter dem digitalen Wandel versteht. Aber so oder so verändert sich die Rolle und Funktion von DesignerInnen.

Eine ganz andere Gefahr ist aus meiner Sicht eine Art politischer Blindheit, wenn man als DesignerIn tätig ist. Ich finde es unverantwortlich, wenn man sich nicht über aktuelle weitergehende gesellschaftliche Probleme bewusst ist, die im Moment in den Vordergrund treten, und nicht sieht, dass man als DesignerIn dahingehend eine Verantwortung trägt und vielleicht einen Beitrag leisten könnte. Das soll kein Fingerzeig sein, demnach die Leute beispielsweise nur noch Ecodesign machen sollten. So einfach ist das nicht gemeint. Aber ich halte es eben für eine große Gefahr, sich über Fragen der ökologischen und politischen Probleme, in denen wir gerade stecken, keine Gedanken zu machen und auf diesem Auge blind zu sein.

Mittel & Methoden

Welche Mittel und vielleicht auch Methoden stellt die Philosophie bereit, um DesignerInnen auf so etwas vorzubereiten und ein Bewusstsein dafür zu wecken, sich auch kritisch mit so etwas auseinandersetzen zu können?

Die Philosophie ist von sich aus nicht praktisch. Ich kann auch bei Demonstrationen dabei sein und irgendwie zivilen Ungehorsam ausüben, das hat aber an erster Stelle etwas mit mir als Staatsbürger zu tun und nicht unbedingt etwas mit mir als Philosophen. Ich denke die Potenz wie die Impotenz der Philosophie ist, dass sie als reflexive Praxis von der Seitenlinie aus auf Entwicklungen schaut. Philosophie kann unser Denken und dadurch auch unser Handeln verändern, die zwar zwei verschiedene Formen sind, aber dennoch zusammenhängen. Man handelt eben anders, wenn man anders denkt und sich anders auf die Welt bezieht. In dem Punkt ist die Philosophie wohl der Kunst ähnlicher als dem Design, da sie auf gewisse Weise ebenso ein Bildungs- und Transformationsprozess unserer selbst ist, der in der Beantwortung von Fragen nicht einfach ummünzbar ist. Natürlich kann ich als Philosoph Analysen über gesellschaftliche Probleme bieten, meine Aufgabe und Fähigkeit ist deshalb jedoch nicht, als Politiker aktiv zu werden und da Umsetzungen vorzunehmen.

Ist das Instrumentarium oder der Methodenkoffer der Philosophie dennoch ein konstitutiver Moment des zukünftigen Designs, wenn es gutes Design sein möchte?

Ich glaube, die Philosophie ist kein Methodenkoffer. Das wäre aus meiner Sicht zu sehr angewandt gedacht. Natürlich kann man das so sehen und sagen: „Hier kannst du durch eine logische Analyse, durch Hegels Dialektik oder die Ontologie bei Aristoteles etwas über das Design aussagen“. Man kann so auch durchaus etwas über Design lernen, trotzdem wäre mir das zu sehr von außen gedacht. PhilosophInnen streiten sich schließlich auch darüber, was bei solchen Herangehensweisen die richtige Position wäre. 

Dennoch ist das, was Sie gesagt haben dahingehend auch richtig, dass man die Philosophie natürlich auch dazu nutzen kann, um durch das Kennenlernen verschiedener Schulen und Denktraditionen eine Differenziertheit in der Auseinandersetzung entwickeln zu können. Das wäre dann zwar eher angewandt gedacht und nicht aus dem Geist der Philosophie heraus, aber natürlich auch völlig in Ordnung. Wenn ich mit meinem Studierenden Ästhetik mache, halte ich nicht hinter dem Berg, was ich für richtig und falsch halte. Aber ich stelle dann auch verschiedene historische Positionen von Baumgarten bis Danto vor und diskutiere mit den Studierenden darüber, damit sie eben verschiedene Blicke kennenlernen, um über Ästhetik nachzudenken. Wichtig ist aber eben, dass man solche Sichtweisen kritisch aufeinander bezieht, da sie in der Philosophie nicht einfach reibungslos nebeneinander verlaufen.

Also sollte dieser kritische Moment, den man durch die Philosophie einbringt, auf jeden Fall gegeben sein?

Reflexion ist für mich an erster Stelle eine Form von Kritik und mit Kritik meine ich keine Zurückweisung, sondern erst mal eine Untersuchung. Wenn man etwas auf das Tableau setzt und analysiert, ist man immer schon in dem Modus zu denken, dass etwas nicht mehr einfach so Geltung hat. Und man schaut dann eben, was es mit einer gewissen Sache auf sich hat und was davon zu halten ist. Die Philosophie bietet diese Möglichkeit immer wieder.

Natürlich gibt es auch schrecklich langweilige Philosophie, das ist auch klar. Es kann spannend sein, die 15 Exegesen zu Ockhams Rasiermesser oder sechzehn Aufsätze zu aktuellen Fragen der Epistemologie der amerikanischen postanalytischen Philosophie zu lesen, aber das ist nicht das, was ich hier unterrichten würde. Das hat nur in ganz bestimmten Binnendebatten eine Relevanz.

Wenn man die Philosophie aber als etwas versteht, was seinen Sitz in unserem Leben hat, damit verbunden ist und etwas über uns aussagen kann, dann ist sie auch eine Bildungspraxis. Das kann man Humboldtianisch nennen, muss man aber nicht. Gemeint ist einfach eine Bildungspraxis in dem Sinne, dass es darum geht, dass wir uns als Subjekte in einer ungesicherten Weise bilden. Die Philosophie ist schließlich nicht instrumentell zu verstehen, sondern ungesichert in der Hinsicht, dass nicht klar ist, auf was es am Ende hinausläuft. Durch diesen Prozess entwickeln wir uns aber weiter.

Inwiefern sollte Transdisziplinarität, bezogen auf den institutionellen Rahmen der beiden Domänen Philosophie und Design, eine Rolle für das Design spielen?

Ich habe ja in Berlin in einem Sonderforschungsbereich gearbeitet, in dem viele verschiedene Fachkulturen versammelt waren. Da war von Tanz- bis Filmwissenschaften alles Mögliche vertreten. Ich bin nicht unbedingt ein super Freund von klassischer Transdisziplinarität, sondern davon, wenn sich Fachkulturen in ihrer Unterschiedenheit aneinander reiben. Ich finde es gut, wenn man in ein Gespräch gerät und dadurch immer wieder neu aushandelt, was zum Beispiel der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist. Das wäre mein Modell. Natürlich ist das auch eine Art von interdisziplinärer Arbeit, in der man sich immer wieder die eigenen Unterschiedlichkeiten versichern kann. Wenn ich in Klassen sitze und mit den KollegInnen aus der Praxis und Studierenden etwas diskutiere, entwickelt man dadurch seine eigenen Standpunkte weiter. Man geht nicht rein und weiß schon, was Sache ist, sondern es verändert sich das, was man glaubt, was Sache ist, im Austausch untereinander. Dadurch entwickelt man sich weiter, obwohl es zwei getrennte Sichtweisen bleiben.

Mit welchem Mindset sollte man in das transdisziplinäre Lernen reingehen? Wie lernt man am besten transdisziplinär?

Wie gesagt, bin ich mir nicht sicher, ob transdisziplinär mein Begriff wäre, vielleicht ist es eher konfligierend interdisziplinär. Aber ganz trivial gesagt: Man sollte Interesse daran haben, etwas vom anderen und von anderen Perspektiven zu lernen, ohne jedoch seine eigene Perspektive zu verwässern. Damit meine ich nicht, dass man verbissen an seiner Position festhält, sondern die Unterschiedenheiten beibehält. Wenn man PhysikerInnen und PhilosophInnen zusammen in einen Raum setzt, ist es ebenfalls so, dass es große Interessensgemeinsamkeiten und dennoch große Unterschiede im Vorgehen und in den Fragen gibt. Es ist also wichtig, dass man die Offenheit mitbringen sollte, sich auf ein Gespräch einzulassen. Wenn man sich für ästhetische Gegenstände interessiert, sei es aus der Kunst oder dem Design, darf man auf keinen Fall glauben, dass man weiß, was sie sind, bevor man sich mit ihnen auseinandergesetzt hat. Einige KollegInnen haben dieses Klischee der Philosophie leider im Gepäck. Das ist zwar trivial, für mich aber eine ganz grundlegende Lektion. Ich bin nicht klüger als die Gegenstände, sondern möchte mit einem kritischen Blick etwas von ihnen lernen und mein Denken in ihrem Lichte entwickeln. Das wäre mein Verständnis: Sich selber auf etwas einlassen, ohne die eigene Perspektive in etwas anderes aufzulösen, sondern sie weiterzuentwickeln.

Kompetenzen

Gibt es dahingehend auch andere geisteswissenschaftliche Komponenten, die Sie als besonders wichtig erachten?

Gerade im Kommunikationsdesign halte ich neben der Designgeschichte auch eine gute kunsthistorische Ausbildung für ziemlich wichtig, weil es starke Bezüge zur Kunsttradition hat, sehr ungesichert gesagt. Eigentlich sind alle Geisteswissenschaften potenzielle Ansprechpartner, klarerweise auch die Soziologie oder die Literaturwissenschaften. Die Probleme im Design haben schließlich mit einer Alltagskultur zu tun, in der viele verschiedene Aspekte gegeben sind und in der man mit vielen Sachen konfrontiert wird, diese irgendwie aufnimmt und wiederum in seine eigene gestalterische Arbeit einfließen lässt.

Dabei würde ich behaupten, dass die Philosophie eine Sache anders als die Literaturwissenschaft angeht, diese aber wiederum anders als die Soziologie an Dinge herantritt und so weiter. Deswegen sind das eher verschiedene Bausteine, von denen man jeweils etwas bestimmtes lernen kann. Ein breites Spektrum an geisteswissenschaftlichem und zum Teil auch naturwissenschaftlichem Wissen ist sicher für DesignerInnen nicht schlecht.

Die Relevanz solcher Schnittmengen wird an unterschiedlichen Designbildungseinrichtungen dennoch unterschiedlich gehandhabt. Gibt es aus Ihrer Sicht gewisse Herausforderungen oder Risiken, denen die durchschnittliche Designlehre derzeit gegenübersteht?

Ich denke, es gibt momentan zwei Risiken: Einerseits eine zu große Verpraxisierung der Theorie und andererseits eine zu große Vertheoretisierung der Praxis. Wenn DesignerInnen am Ende nur noch gute Texte über Foucault schreiben können und dennoch schlechte Designer sind, ist nichts gewonnen. Wenn sie auf der anderen Seite, mal ganz blöd gesagt, nur nette Bildchen malen, ist auch nichts gewonnen. Die Spannung dazwischen, um die es mir geht, gilt es irgendwie aufrecht zu erhalten. Das Nachdenken über die Praxis sollte man für genauso wichtig halten wie die Praxis selbst. Man studiert hier schließlich Design und das ist auch das erste, worum es geht. Das Andere hat auf eine gewisse Weise eine unterstützende Funktion. Da irgendeinen Weg zu finden, nicht in die ein oder andere Seite zu kollabieren, scheint mir eine große Herausforderung zu sein.

Führt da als guter Movens auch ein empathischer Bildungsbegriff hindurch?

Ich habe keinen voll entwickelten Bildungsbegriff, aber ich denke, dass man als guter Gestalter und als gute Gestalterin eine persönliche Handschrift hat, wie auch einen eigenen Zugriff auf die Sachen im eigenen Bereich. Das ist für mich ein Bildungsprozess. Damit meine ich nicht, dass DesignerInnen immer perfekt über ihre Sachen reden können sollten, darum geht es nicht, sondern dass irgendwie eine Breite von Wissen und Können in den Fingern, im Geist, in den Händen und dadurch in den Gegenständen steckt. Das wäre für mich Bildung. Und gutes Design ist in bestimmter Weise ein Ausdruck von Bildung. Damit meine ich nicht nur handwerklich gutes, sondern auch tiefes, kluges, intelligentes, spritziges, witziges und geistreiches Design.

Dahingehend habe ich schon hohe Ansprüche, auch in meinen Theorieveranstaltungen. Da wird auch mal Hegel und Kant im Original gelesen, eben dann nicht hundert Seiten, sondern halt nur zwanzig. Das wird dann aber genauso gelesen, wie man das halt liest und auch lesen muss. Da können sich die Studierenden dann daran abarbeiten und wer darauf weniger Lust hat als andere, der ist bei mir auch nicht dazu verpflichtet, fünf Hausarbeiten zu schreiben. Aber mir geht es schon darum, zu sagen, dass man sich einerseits an der Theorie reiben kann und soll, man aber auch ebenso eher in die Designpraxis gehen soll, wen man an der Stelle kein theoretischer Kopf ist. Das ist schließlich das, worum es letztlich geht. Die Leute, die im Studium keine große theoretische Energie und großes Interesse mitbringen, um sich in diese Richtung zu entwickeln, zwinge ich auch nicht, das zu tun.

Designlehre

Das heißt, eine Lehre sollte auch mit so viel reflexivem Freiraum gestaltet werden, dass sich eine persönliche Entfaltung vollziehen kann?

Total. Wenn Designstudiengänge kreativ und forschend betrieben werden sollen, sollten die Personen, die mit verschiedenen Temperamenten, Fähigkeiten und Persönlichkeiten daherkommen, auch als die Personen gefördert werden, die sie sind. Das ist mein Bildungsverständnis und das finde ich auch wichtig.

Was ich dahingehend mit meinem Lehrstuhl in der Infrastruktur hier verankert habe, ist die Verpflichtung, sich hier ansatzweise in der Ästhetik, mit Fragen politischer Theorie mit Blick auf Design, klassischen symbolphilosophischen Positionen oder auch der Semiotik auszukennen und davon etwas im Gepäck zu haben, bevor man hier rausgeht.

Da gibt es dann Studierende, die mehr Lust mit sich bringen und da tiefer einsteigen wollen und Studierende, die eher in anderen Bereichen Fähigkeiten und Interessen haben. Die sind dann aber, wie gesagt, auch nicht gezwungen, sich zu vertiefen.

Ethik & Moral

Wir merken, dass viele Studierende mehr auf Ethik und Moral eingehen wollen. Inwiefern sollte das nach Ihrer Meinung in der Designlehre behandelt werden?

Wie gesagt sind Politik und Ethik neben der Ästhetik zentrale Felder für mich. Ich habe beispielsweise auch Interesse an der Philosophie der Biologie und habe auch dazu geforscht, weil man da viel vom Funktionsbegriff auf das Design ableiten kann. Das wäre aber nicht das wichtigste Feld für mich, wenn man über Design nachdenkt. Das Problem ist jedoch die Schwierigkeit der Frage, auf welcher Ebene diese Fragen beim Design eigentlich greifen. Um wieder auf Vilém Flusser zurückzukommen, der auf polemische Weise gesagt hat, dass man, egal was man macht, sowieso schon auf der falschen Seite ist, wenn man DesignerIn und nicht irgendwie PolitikerIn geworden ist. Das ist natürlich irgendwie falsch, wirft aber die Frage auf, wie weit man als DesignerIn denken sollte. Es reicht halt nicht, dass man sich darüber informiert, was alles in der Dritten Welt nicht gut läuft, den Kopf schüttelt und traurig ist, dennoch aber unverändert seine Praxis fortführt. Das muss schon robuster, intensiver und intelligenter gemacht werden, dass man sich der Verantwortung und auch der Probleme der Rolle von DesignerInnen in der heutigen Gesellschaft klar wird.

Das heißt, man muss auf jeden Fall die kritische Reflexion einbringen?

Genau. Das, was man tut, hat etwas mit gesellschaftlichen Realitäten zu tun und leistet einen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung, in welcher Weise auch immer. Das meine ich nicht so, dass man die Gesellschaft unbedingt verbessern wollen soll, sondern so, dass man sich darüber klar ist, was man tut. Das ist eine Frage, mit der man sich durchaus schon beschäftigen kann, indem man sich mit basalen ethischen Positionen wie beispielsweise der Tugendethik oder dem Konsequentialismus auseinandersetzt. Wenn man so was dann ein bisschen kennengelernt und dabei etwas gelernt hat, entwickelt man auch einen anderen Blick auf die eigenen Tätigkeiten und seine Verantwortung in der Praxis.

Das ist ein schönes Schlusswort mit Ausblick. Vielen Dank für die Antworten und für ihre Zeit.